Gedanken zur Freiheit in der Medizin

Freiheitsschwur auf der Freiheitsglocke im Rathaus Schöneberg in Berlin:

"Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen."

Das originale Geläut und den gesprochenen Text des Freiheitsschwurs auf der Freiheitsglocke im Rathaus Schöneberg zu Berlin hören Sie hier:

http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/derbezirk/wissenswertes/freiheitsglocke.html

Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen, was dieses Zitat hier soll. Dieses Zitat umschreibt mit seinen Forderungen meines Erachtens recht gut, was in unserem Medizin-System trotz milliardenschwerer Umsätze grundsätzlich schief läuft. Die Freiheit und Würde der Patientinnen und Patienten steht eben viel zu oft nicht mehr im Vordergrund, sondern stattdessen ökonomische Erwägungen und Sachzwänge. Aber auch die Freiheit und Würde der sie behandelnden Ärztinnen und Ärzte ist damit in Frage gestellt. Medizinisch wie realpolitisch sind wir längst in der Mehrklassenmedizin angekommen, die sich nicht mehr nur auf zwei Klassen beschränkt. 

Da ist in den Medien leider viel zu oft nicht zu Unrecht die Rede von Zweiminutenmedizin, Fließbandabfertigung und Halbgöttern in Weiß, die sich für die Belange und Befindlichkeit ihrer Patientinnen und Patienten nur unzureichend interessieren. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: ich meine hier nicht die vielen Kolleginnen und Kollegen, die als engagierte Hausärzte, Fachärzte oder Klinikärzte aufopferungsvoll ohne schielen auf Zeit und Portemonnaie ihre Patientinnen und Patienten versorgen und betreuen. Meine Kritik gilt eher der oben genannten meines Erachtens zunehmenden Grundströmung, eben nicht mehr den Menschen, das ärztliche Gespräch und die damit verbundene zwischenmenschliche Begegnung wie auch die ärztliche Behandlung im Mittelpunkt zu sehen, sondern teure Medizintechnik und anderes mehr. Wie steht es da um den Eid des Hippokrates?

Da werden uns Ärztinnen und Ärzten doch tatsächlich Schulungskurse angeboten, in denen man lernen soll, wie man Patientinnen und Patienten möglichst schnell abfertigt. Da gibt es doch tatsächlich Schulungskurse für Arzthelferinnen, in denen sie lernen können, wie man Patientinnen und Patienten möglichst schnell abwimmelt und wenn möglich gar nicht erst zur Ärztin oder zum Arzt vorläßt.

Daher war für mich schon in der Zeit meines Medizinstudiums, in der Zeit der Mitarbeit in einer schulmedizinischen Hausarztpraxis wie auch der Arbeitszeit im Krankenhaus im letzten Teil des Medizinstudiums klar, dass ich in einem derartigen System nicht arbeiten wollen würde. Dies war der entscheidende Grund, sich für eine privatärztliche Praxis zu entscheiden, in der ich selber als Behandler darüber entscheiden kann, wie viel Zeit ich für eine einzelne Patientin bzw. einen Patienten aufwenden möchte.

Nachfolgend das hierzu sehr passende "Morgengebet für einen Arzt" des Mosche Ben Maimonides:
 
 Ich beginne meine Arbeit,
 hilf mir dabei, Herr, sonst bleibt sie nutzlos.
 
 Laß Wahrheitssuche und Menschenliebe
 mich leiten und bewahre mich 
 vor Gewinn- und Geltungssucht.
 
 Gib mir Kraft, körperlich und seelisch,
 zu jederzeitigem unverdrossenem Einsatz.
 
 Laß mich im Kranken stets nur den Menschen sehen,
 sei er mir nun lieb oder lästig,
 sei er gut oder schlecht, arm oder reich,
 mächtig oder unbedeutend.
 
 Erhalte meinen Verstand klar und einfach,
 damit er das Gegenwärtige erfasse,
 das Weitere richtig vermute
 und von dem Leidenden durch nichts Fremdes
 abgelenkt werde.
 
 Gib meinen Patienten Vertrauen in Arzt und Heilkunde,
 so daß sie meinen Rat befolgen.
 
 Wenn erfahrene Ärzte mich belehren,
 laß mich dankbar und lernbegierig sein.
 Gib mir Kraft, Zeit und Antrieb
 meine Kenntnisse dauernd zu verbessern und zu erweitern.
 Sonst aber schenke mir in allem Genügsamkeit.