Streng genommen ist schon die Bezeichnung „Schwermetalle“ eigentlich irreführend, da auch Leichtmetalle wie zum Beispiel Aluminium oder Titan von ebensolcher toxikologischer bzw. umweltmedizinischer Bedeutung sein können und selbst im medizinischen Sprachgebrauch unter dem Begriff „Schwermetalle“ subsummiert werden. Schwermetalle im oben genannten und nachfolgend verwendeten Sinne gehören im Gegensatz zu vielen synthetischen Verbindungen innerhalb normaler Grenzen in unser biologisches Umfeld. Über diese Grenzen bzw. Grenzwerte lässt sich allerdings trefflich streiten, was am Beispiel der Amalgamdiskussion der letzten Jahrzehnte deutlich wird. Daneben muss berücksichtigt werden, dass es viele Metalle und damit auch Schwermetalle gibt, die je nach Mengenbedarf unseres Körpers entweder in der Größenordnung von Spurenelementen oder der Größenordnung von Massenelementen für uns lebensnotwendig sind. Diese Metalle sind beispielsweise als Zentralatome in vielen biologischen Enzymsystemen von zentraler Bedeutung: ohne einige spezielle Metalle ist unser Leben nicht denkbar. Als Beispiele seien Eisen, Zink, Chrom und Kupfer genannt.
Wissenschaftlicher Hintergrund:
Aufgrund ihrer geringen Größe und der Möglichkeit einer wechselnden chemischen Wertigkeit bezüglich ihrer Oxidationsstufe (Ladungszustand) ist die biologische Wirkung von Schwermetallen nicht allein toxikologisch bewertbar. Vielmehr muß neben einer rein toxikologisch-kummulativen Betrachtung, also der Frage, ab welcher mengenmäßigen Anreicherung von dieser Anreicherung eine Gefahr für den menschlichen Körper ausgeht, immunologisch der Haptencharakter mit der Konsequenz möglicher allergischer Sensibilisierungen berücksichtigt werden.
Unter Haptencharakter versteht man dabei, dass einzelne Atome bzw. Molekülgruppen eines Metalls nach heutigem medizinischen Kenntnisstand nicht ausreichen, um zum Beispiel eine allergische Reaktion des Körpers in Gang zu setzen, da sie dafür in der Regel vermutlich schlichtweg zu klein sind. Erst bei Anlagerung der Metalle an Proteine (Eiweiße) oder andere eben größere und für das Immunsystem damit interessante Molekülgruppen entsteht dann ein vollwertiges Antigen, also eine Struktur, auf die das Immunsystem dann eventuell mit einer immunologischen Abwehrreaktion reagiert. Eine weitere Theorie besagt, dass die Schwermetalle als Haptene durch ihre Anlagerung die dreidimensionale Struktur der Proteine verändern und das Immunsystem des Körpers die so veränderten Proteine dadurch nicht mehr als körpereigen, sondern als körperfremd wahrnimmt und eine Immunreaktion einleitet. Der vorgenannte Vorgang ist eine mögliche Erklärungshypothese für die Entstehung von Autoimmunkrankheiten, deren Ursache schulmedizinisch nach wie vor im Dunkeln liegt.
Das klassische toxikologische Erklärungsmodell reicht nicht aus...
Physikochemisch bzw. biochemisch muss über das multiple Eingreifen von Schwermetallen in biochemische Funktionsketten nachgedacht werden. Bei Mehrfachbelastungen mit mehreren Metallen kommt es wie bei Chemikalien oder auch mehreren Medikamenten gleichzeitig zudem zu bisher nicht klar abschätzbaren Wechselwirkungen und Potenzierungseffekten, die anscheinend über bloße Summationseffekte weit hinausreichen. Spätestens an dieser Stelle muß aber das rein toxikologische Weltbild verlassen werden, da der Ersatz bzw. die Verdrängung körpereigener „Funktionsmetalle“ bisher nicht meßbar und darüberhinaus gerade bei chronischen Belastungen nicht zwangsläufig dosisbezogen erfolgen muß.
Zudem behindern die komplexen Umverteilungs- und Einlagerungsmechanismen aus unserem Transportmedium Blut in tiefere messtechnisch nur noch teilweise über Mobilisationsverfahren zugängliche Körperkompartimente eine lineare meßtechnische Erfassung.
Labordiagnostische Messung von Schwermetallbelastungen:
Die labordiagnostische Feststellung von Schwermetallbelastungen ist ein wissenschaftlich nach wie vor heftig diskutiertes Thema. Und nach wie vor gibt es meines Wissens kein messtechnisches Verfahren, das eine akute oder chronische Schwermetallbelastung linear, also eins zu eins, abbildet. Dies wird verständlich, wenn man sich zwei wesentliche Aspekte vor Augen führt: erstens: die Expositionsdauer, also die Zeitdauer, innerhalb derer unser menschlicher Körper dem belastenden Schwermetall ausgesetzt ist oder war; zweitens: die Tatsache, dass unser Körper aus ganz unterschiedlichen Körperregionen besteht, die je nach ihrem Fett-, Mineral- oder Wassergehalt eben eine unterschiedliche Affinität zu den jeweiligen Schwermetallen besitzen. So wissen wir von manchen Schwermetallen wie zum Beispiel dem Blei, dass es eine ausgesprochene Neigung zur Einlagerung in Knochen- und Nervengewebe besitzt. Quecksilber hingegen reichert sich unter anderem auch sehr gerne in Nierengewebe an.
Generell sollte ein Schwermetallnachweis aus Urin, Blut, Stuhl, Haaren oder asserviertem OP-Material nur in akkreditierten Laboratorien stattfinden!
Akute Schwermetallbelastung:
Konkret bedeutet das: bei einer höhergradigen akuten Exposition gegenüber einem Schwermetall erwartet man labordiagnostisch zu Recht auch akut erhöhte Messwerte für dieses Schwermetall in unserem Transportmedium Blut wie auch in den Körperausscheidungen von Urin und Stuhl. Doch schon nach wenigen Tagen bis Wochen würden die vormalig erhöhten Messwerte wahrscheinlich wieder in die Norm gegangen sein. Natürlich könnte es dabei sein, dass der mit dem Schwermetall belastete Körper dieses wegen einer guten „genetischen Grundausstattung“ seiner Entgiftungsenzyme bereits vollständig entgiftet hat, wahrscheinlicher ist aber, dass zu einem individuell mehr oder weniger großen Prozentsatz entsprechend der oben geschilderten Affinität des jeweiligen Schwermetalls zum Teil lediglich eine Umverteilung in andere Körperkompartimente stattgefunden hat. Daher werden bei akuten Schwermetallbelastungen auch sofort die jeweils passenden Chelatbildner eingesetzt. Unter Chelatbildnern werden verschiedene meist schwefelhaltige chemische Verbindungen verstanden, die die zu entgiftenden Schwermetalle mit mehreren chemischen Bindungsarmen gleich einem Krebs mit ihren Zangen binden (daher der Name von griechisch „chele“ = Krebsschere).
Chronische Schwermetallbelastung:
Bei einer chronischen Schwermetallbelastung bzw. Schwermetallvergiftung - die sicherlich die Mehrzahl unserer umweltmedizinischen Patienten betrifft - sieht die Situation aber oftmals ganz anders aus. Je nach der Art des oder der auf den Körper einwirkenden Schwermetalle, deren Dosis und deren Expositionsdauer kommt es unter Umständen zu einem langsamen und schleichenden Prozess. Je nach Expositionsdosis ist es durchaus möglich, dass man weder in Blut noch anderen Körperausscheidungsmedien akut erhöhte Belastungswerte feststellen kann. Aufgrund der weiter oben beschriebenen Entgiftungs- und Umverteilungsversuche unseres Körpers ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich. An dieser Stelle kommen die Mobilisationstestungen ins Spiel.
Mobilisationstestungen:
Erst unter Mithilfe eines der oben genannten Chelatoren, der die fraglichen Schwermetalle aus den für normale Testungen nicht erreichbaren Depots des Körpers mobilisiert, kann eine eventuelle Schwermetallbelastung festgestellt werden. Dabei werden die entsprechenden Chelatoren dem Patienten mittels Kapsel, Spritze oder Infusion verabreicht, um nachfolgend eventuell erhöhte Schwermetallwerte in Urin oder Stuhl nachweisen zu können.
Individuelle Suszeptibilität und Entgiftungsmöglichkeit:
Unter individueller Suszeptibilität verstehen wir eine individuell unterschiedliche Empfänglichkeit für Gift- und Schadstoffe wie auch Stoffwechselgifte und anderes mehr aufgrund der eben individuell unterschiedlichen genetischen Ausstattung jedes einzelnen Menschen. Auch die individuellen genetisch determinierten Entgiftungsmöglichkeiten sind ein weiterer Aspekt, der dazu führt, dass man aufgrund des einmaligen Nachweises einer Schwermetallbelastung eigentlich keine pauschale abschließende umweltmedizinische oder toxikologische Bewertung abgeben kann.
Quellen für Schwermetallbelastung:
Aufgrund der Vielzahl möglicher Expositionsquellen sei hier nur eine Auswahl genannt: Dentalwerkstoffe wie Amalgam und andere mehr aus unterschiedlichen Metallgemischen und Metalllegierungen, Zahnspangen und Bracket-Konstruktionen, metallhaltige Prothesen und Osteosynthesematerial, Herzschrittmachergehäuse, berufliche und private Expositionen über z.B.Kochtöpfe und belastete Atemluft, Verzehr von schwermetallhaltigen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch, Muscheln, schwermetallbelastetes Trinkwasser vor allem bei Bleileitungen in alten Hausanlagen und minderwertigem Installationsmaterial etc.
Zu ergreifende Maßnahmen bei Verdacht auf eine Schwermetallbelastung:
• Der Expositionsstopp stellt auch hier wie bei allen anderen umweltmedizinischen Vergiftungs- oder Belastungssituationen die wichtigste primäre Maßnahme dar. Der dafür erforderliche Nachweis vorhandener Expositionsquellen versteht sich von selbst.
• Je nach toxischem Belastungsgrad und immunologischer Sensibilisierung: Sanierung bzw. Entfernung körpereigener Schwermetallquellen: Mundmetalle / Prothesen / Osteosynthesematerial und Asservierung von Materialproben zum Nachweis kausaler Zusammenhänge über immunologische Funktionstests und anderes mehr.
• Detoxifikation (Entgiftung) mittels:
a) Chelatbildnern unter besonderer Berücksichtigung möglicher Jarisch-Herxheimer-Reaktionen (akuter allergischer Reaktionen bis zum Schock) im Falle vorliegender immunologischer Sensibilisierungen
b) Unterstützung körpereigener Entgiftungsmechanismen über orthomolekulare Therapie, Phytotherapie (z.B.Pflanzenwirkstoffe in Tees), Homöopathie etc.
c) Verhinderung von Reabsorption (Wiederaufnahme) durch nichtresorbierbare Schwermetallbindemittel (medizinische Kohle / Zeolithe / Huminsäuren / Algen etc.)
d) Organaufbauende Therapien zur Unterstützung der Entgiftungsorgane etc.